Schlechte Ideen und der Weg zum Erfolg
Von Support über Präsentationen, bis hin zur Teilnahme an Workshops und der Moderation von Meetings: unsere Arbeit besteht zu erheblichen Teilen aus Kommunikation. So stehen wir immer vor der Herausforderung, kreative Gesprächssituationen zu schaffen. Auch in der internen Kommunikation ist es unerlässlich, klassische Formate wie Dailys oder Retrospektiven für die Teilnehmer interessant und anregend zu gestalten, um möglichst viel kreatives Potenzial freizusetzen.
Klassische Gesprächstechniken
Ein All-Time-Classic unter den Gesprächstechniken ist das Brainstorming. Die Teilnehmer werden dazu ermuntert, ihren Ideen freien Lauf zu lassen. Es geht dabei im ersten Schritt nicht um die qualitative Bewertung dieser Ideen, denn es sollen ja gerade unkonventionelle, originelle Gedanken Gehör finden. Allerdings verlässt sich der Ansatz prinzipiell darauf, dass die Teilnehmer diese originellen Gedanken auch abrufen und artikulieren können. Es gibt jedoch einige Faktoren, die dem im Weg stehen können.
Was ist zum Beispiel, wenn die Teilnehmer ihre besten Ideen bereits zum Ausdruck gebracht haben? Wichtige Themen innerhalb eines Projekts treten normalerweise nicht von jetzt auf gleich auf, die meisten Beteiligten haben vermutlich schon vielfach über das Thema nachgedacht und sich eine feste Meinung gebildet. Haben sich grundsätzliche Annahmen und Verfahrensweisen erst einmal festgesetzt, fällt es häufig schwer, die eigene Kreativität nochmal „auf Anfang“ zu stellen. Auch kann es vorkommen, dass sich zu einem Thema bereits negative Emotionen gebildet haben, die eine offene und aufgeschlossene Auseinandersetzung behindern.
Neue Blickwinkel
In solchen Fällen kann es hilfreich sein, den Gesprächsteilnehmern einen Perspektivwechsel anzubieten, ja vielleicht sogar deren potenziell negative Gefühle anzuzapfen. Wenn beispielsweise Probleme an einem Produkt behoben werden sollen, kann die Perspektive eines verärgerten Kunden interessante neue Einblicke geben. Wir stellen uns also die Frage, wie das Produkt beschaffen sein müsste, damit der Kunde frustriert aufschreit: „Hier funktioniert ja gar nichts!“
Obwohl wir immer noch über das gleiche Thema – und eigentlich auch die gleiche Fragestellung – reden, ergibt sich eine komplett neue Sichtweise, die den Teilnehmern einen frischen Zugang ermöglicht. Hier befinden wir uns bereits mitten im Reverse Brainstorming. Auch diese Methode stammt – wie ihr Gegenpart – aus dem „Design Thinking“. Dieser Ansatz geht davon aus, dass die Lösung eines komplexen Problems am besten durch die Interaktion zwischen kreativen Menschen aus verschiedenen Disziplinen erreicht werden kann, die gemeinsam einen strukturierten Prozess der Ideenfindung durchwandern. Wir setzen uns also eine Fragestellung für unser imaginäres Meeting und verkehren diese dann ins Gegenteil.
„Wie sollte ein kreatives Meeting aussehen, bei dem ein möglichst schlechtes Ergebnis herauskommt?“
Die Dokumentation eines Brainstormings zu dieser Frage könnte wie folgt aussehen.
Gegenteiltag im Meetingraum
- Legen Sie keine Ziele und Erwartungen für das Meeting fest. Um einen Misserfolg zu garantieren, sollten die Teilnehmer möglichst unstrukturiert an das Thema herangehen, damit sich keine gemeinsame Vision entwickeln kann. Bitten sie die Teilnehmer darüber hinaus, sich nicht auf das Thema vorzubereiten und stellen Sie ihnen im Vorfeld keine Materialien zur Verfügung. Eine knappe Ansetzung („in einer Stunde im Meetingraum!“) kann diese Effekte verstärken und mentale sowie inhaltliche Vorbereitung erfolgreich unterbinden.
- Auch die unsorgfältige Auswahl der Teilnehmer ist elementar für ein Scheitern. Diese sollten alle aus demselben Fachbereich stammen und eine möglichst schmale Bandbreite an Perspektiven in den Kreativprozess einbringen. Idealerweise gibt der erste Teilnehmer ein Statement ab und alle anderen schließen sich ihm kommentarlos an. Ein solcher Kreativprozess kann schon innerhalb weniger Minuten zum Erliegen kommen.
- Mit einer ungeeigneten Moderation kann dieser Effekt noch verstärkt werden. Stille, introvertierte Teilnehmer versuchen häufig nicht aktiv, sich ins Gespräch einzubringen, gut so! Hier sollte vonseiten der Gesprächsführung nicht interveniert werden, denn je weniger Teilnehmer sich äußern, desto weniger kreative Synergien können entstehen. Gerade meinungsstarke Teilnehmer, die sich gerne selbst reden hören, sollten ermuntert werden, das Meeting in eine One-Man-Show zu verwandeln.
- Schlechtes Zeitmanagement und nicht vorhandene Dokumentation runden jedes erfolglose Kreativmeeting ab. Je länger sich mit den immer gleichen Punkten beschäftigt wird, desto unwahrscheinlicher wird ein kreativer Durchbruch. Sollte doch fünf Minuten vor dem Anschlusstermin jemand einen Geistesblitz haben, kann dieser leider nicht mehr ausführlich besprochen werden. Da sowieso kein klares Ziel formuliert wurde, ist das aber auch gar nicht schlimm. Wenn das Meeting darüber hinaus nicht schriftlich festgehalten wird, ist sichergestellt, dass das Team beim nächsten mal wieder exakt bei null anfängt.
Der diebische Spaß am Destruktiven
Das soll erstmal reichen, obwohl noch einige Punkte hätten folgen können. Denn dem Leser mag aufgefallen sein, wie viel Spaß der Autor beim Schreiben dieses Abschnitts hatte. Tatsächlich ließen sich die Absätze einfach so runterschreiben und er musste sich kaum am Riemen reißen, um nicht gedanklich abzuschweifen. Darin wird die Kraft des Reverse Brainstormings deutlich. Das Anzapfen negativer Gefühle wird – aus nachvollziehbaren Gründen – eher selten im Kreativprozess genutzt. Umso erfrischender ist es, wenn man in der Phantasie mal so richtig die Welt brennen lassen kann.
Nachdem zu Beginn ein Problem definiert wurde, können wir final die erzielten Ergebnisse ins Gegenteil umkehren, um Lösungsvorschläge zu formulieren. Das sollte nun kaum noch Schwierigkeiten bereiten, da die Kreativarbeit – ohne dass es sich wirklich so angefühlt hat – schon erledigt ist.